Inauguraldissertation von Silke Bechler zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät, Universität Heidelberg
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts legen zahlreiche Feldstudien das vedische Opfer (yajña) als eine in Indien nach wie vor lebendige Tradition offen.1 Dennoch wird das Ritual zumeist als ein Überbleibsel der fernen Vergangenheit beschrieben, das für den religiösen Kontext des heutigen Indiens von minimaler Bedeutung ist. Dass das vedische Opfer, entgegen aller Annahmen, gegenwärtig sowohl im religiösen Leben als auch im gesellschaftlichen Bereich eine signifikante Rolle spielt, soll im Rahmen dieser Arbeit herausgestellt werden. Während eingangs ein kurzer Blick auf die Geschichte, die Textquellen, die Definition und die Formen des frühen vedischen Opfers gerichtet wird, soll im weiteren Verlauf das vedische Opfer in seinen kontemporären Kontext eingeordnet und analysiert werden. Ein Blick auf die Forschungsgeschichte wird aufzeigen, dass die kontemporäre Form und Praxis des vedischen Opfers in bisherigen Forschungsarbeiten vernachlässigt wurde. Die Intention der vorliegenden Arbeit ist es daher, gegenwärtige Entwicklungs- und Transformationsprozesse zu untersuchen, die auf das vedische Opfer einwirken und es zu einer kontemporären Ritualform transkulturellen Charakters werden lassen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts über den religiösen Kontext hinaus in eine politische und kommerzialisierte, aber auch eine spirituell-esoterisch geprägte Öffentlichkeit rückt und auf weite Teile der indischen aber auch europäischen Öffentlichkeit Einfluss gewinnt.